„Man muss nicht optimistisch sein, man muss mutig sein“
zurückJoschka Fischer, Bundesaußenminister und Vizekanzler a.D., hat im Rahmen der 70-Jahr-Feier des AGV Banken einen neuen Umgang mit der Kumulation von Herausforderungen und Krisen angemahnt. Zwei Tage nach der US-Wahl und einen Tag nach dem Bruch der Ampelkoalition betonte er auf der Veranstaltung in Berlin, die bevorstehenden Veränderungen rüttelten an den Grundfesten von Demokratie und sozialer Marktwirtschaft. Deutschland brauche ein neues Geschäftsmodell. „Die Welt, wie wir sie kannten, wird so nicht mehr existieren“, sagte Fischer und empfahl: „Man muss nicht optimistisch sein, man muss mutig sein.“
Als größte Herausforderungen nannte Fischerden Klimawandel, verschärften technologischen Wettbewerb und die Sicherheit. So werde es keine amerikanische Sicherheitsgarantie zum Billigtarif mehr geben, zugleich strebe Russland erneut nach einer Weltmachtrolle. „Ich hätte nicht gedacht, dass ich als Großvater einmal für Aufrüstung plädieren würde – aber es führt kein Weg daran vorbei“, so Fischer.
Sorgen bereite ihm darüber hinaus, dass insbesondere die USA und China ihre Technologieführerschaft in wichtigen Bereichen ausbauten. „Wenn Deutschland und Europa beim technologischen Wandel abgehängt werden, dann wird es keine zweite Chance geben“, sagte Fischer. Zusätzlich sprach er sich für qualifizierte Zuwanderung aus: „Dass wir unter Fachkräftemangel leiden und uns zugleich eine Zuwanderungsdebatte leisten, ist mir unerklärlich.“
Wenn sich der zunehmende Neo-Nationalismus in Europa durchsetze, werde Deutschland der größte Verlierer sein. „Europa ist unser Schicksal“, so Fischer. Vor diesem Hintergrund sei die Verteidigung der Demokratie von entscheidender Bedeutung. Deshalb gelte es auch die Sozialpartnerschaft mit ihrer sozial-integrativen Wirkung zu stärken. Fischer: „Wenn wir das verlieren, dann würden wir mehr als nur den Arbeitsfriedenverlieren.“