Europäische Banken-Sozialpartner: erheblicher Einfluss von Regulierung auf Beschäftigung, frühzeitige Einbindung der Sozialpartner und stärkere Koordinierung notwendig

Brüssel/Berlin
19.11.2020
  • Umfassende EU-Studie nach vierjähriger Laufzeit abgeschlossen
  • Appell von Arbeitgebern und Gewerkschaften, nachteilige arbeitsbezogene Regulierungs-Folgen in den Blick zu nehmen und so weit wie möglich abzumildern
  • Banken-Arbeitgeber: Bereitschaft zum Dialog im Vorfeld von Regulierungsmaßnahmen

Die europäischen Banken-Sozialpartner appellieren an nationale und europäische Regulierungsbehörden, die Auswirkungen von Regulierung auf die Beschäftigung und die Arbeitsbedingungen im Bankgewerbe frühzeitig in den Blick zu nehmen. Es zeige sich, dass Regulierung direkt und indirekt erhebliche Auswirkungen auf die Banken-Arbeitswelt habe, betonten Arbeitgeber und Gewerkschaften bei der Vorstellung einer umfassenden gemeinsamen Studie zu dem Thema. Deshalb gelte es, nachteilige arbeitsbezogene Regulierungs-Folgen zu identifizieren und so weit wie möglich abzumildern. Dafür sei es notwendig, die Sozialpartner intensiver einzubinden und die Regulierungsprozesse zwischen allen Beteiligten stärker zu koordinieren.

„Wir würden es begrüßen, wenn wir den Dialog im Vorfeld von Regulierungsmaßnahmen vertiefen könnten, und stehen dafür als Sozialpartner mit unserer besonderen Expertise zur Verfügung“, sagt Dr. Jens Thau, Geschäftsführer im AGV Banken und Chairman im Banking Committee for European Social Affairs (BCESA), das unter dem Dach der Europäischen Bankenvereinigung EBF die Interessen des privaten Bankgewerbes vertritt. „Wir stellen nicht die Notwendigkeit bestimmter Regulierungsvorhaben infrage. Aber wir möchten sie im Sinne von Arbeitgebern und Beschäftigten frühzeitig zweckmäßig mitgestalten. Dafür ist der Austausch mit Regulierungsbehörden auf der Grundlage des europäischen sozialen Dialoges im Bankensektor die ideale Plattform.“

Die Studie zu den Auswirkungen der Bankenregulierung auf die Beschäftigung, die das Sozialforschungsinstitut Kantar im Auftrag der europäischen Banken-Sozialpartner erstellt hat, startete 2017 mit einer Bestandsaufnahme zur Beschäftigungsentwicklung und zum Status quo der Regulierung im europäischen Bankensektor. 2019 folgte die zweite Phase mit zusätzlicher empirischer Forschung einschließlich Experten-Interviews in acht europäischen Ländern (Deutschland, Frankreich, Italien, Malta, Niederlande, Rumänien, Schweden und Spanien) und zwei Workshops. Die Studie kommt zu folgenden wesentlichen Ergebnissen:

  • Erhöhter Wettbewerbs- und Kostendruck, veränderte Geschäftsmodelle und Jobprofile: Die europäische Bankenregulierung infolge der Finanzkrise 2008 hat sowohl den Wettbewerbsdruck durch leichteren Zutritt neuer Marktteilnehmer (Schattenbanken, Fintech, Bigtech) als auch die Kapitalanforderungen und die Compliance-Kosten erhöht. Die Banken haben darauf mit Konsolidierung, angepassten Geschäftsmodellen, daraus resultierend veränderten Tätigkeitsfeldern, -strukturen und -profilen sowie insgesamt mit dem Abbau von Personal reagiert.
  • Stellenabbau in Kerngeschäft und Management, Stellenaufbau in Querschnittsfunktionen: Der Stellenabbau war bislang besonders signifikant im Privatkundengeschäft, in der Verwaltung, im Kreditwesen und im Management. Dem steht ein Personalaufbau in verschiedenen, nicht unmittelbar kundennahen Bereichen gegenüber (v.a. Compliance, Recht, Risiko, IT und Personalwesen).
  • Erhöhter Arbeitsaufwand durch Regulierung: Nach Einschätzung der Sozialpartner hat Regulierung das Arbeitsvolumen in fast allen Arbeitsbereichen erhöht. Das bestätigen auch aktuelle Erhebungsdaten des AGV Banken, wonach rund 60 Prozent der Beschäftigten von (sehr) hohem Aufwand für Compliance (Einhaltung von Gesetzen und Richtlinien, Erfüllung regulatorischer Anforderungen) berichten. Zwar empfinden Beschäftigte mit erhöhtem Compliance-Aufwand eine überdurchschnittliche Arbeitsbelastung, sie schätzen ihre Gesundheit und Leistungsfähigkeit aber ähnlich hoch ein wie der Durchschnitt der Belegschaften. Hinzu kommt, dass sich die Dynamik des Zusatzaufwands zuletzt etwas abgeschwächt hat. Insgesamt ist die empfundene Arbeitsbelastung im privaten Bankgewerbe in den vergangenen Jahren sogar gesunken (vgl. Pressegrafiken zum Download). Die europäischen Sozialpartner sprechen sich gleichwohl dafür aus, dass die Regulierungsbehörden den Unternehmen ausreichend Zeit einräumen, den erheblichen Aufwand bei der Einführung von Regulierung und der daraus notwendigen Prozessanpassung (einschließlich Mitarbeiterschulung sowie ggf. Durchführung von Mitbestimmungsverfahren) zu bewältigen.
  • Regulierung als Digitalisierungstreiber: Neue Vorschriften – unter anderem im bereits hoch automatisierten Zahlungsverkehr, aber auch in anderen Bereichen des Bankgeschäfts – haben die erhebliche Digitalisierungs-Dynamik im Bankgewerbe weiter beschleunigt. Dabei wirken digitale Technologien in Bereichen, wo sie einfachere Tätigkeiten nicht ersetzen, häufig unterstützend und produktivitätssteigernd. Aktuelle Befragungen im privaten Bankgewerbe bestätigen, dass Beschäftigte auf solchen Arbeitsplätzen durch die fortschreitende Digitalisierung eine überdurchschnittlich verbesserte Arbeitsqualität erwarten oder diese – etwa durch den Einsatz Künstlicher Intelligenz – bereits erleben (vgl. Pressegrafiken zum Download).
  • Erhöhter Kompetenz- und Schulungsbedarf: Die Studie kommt zu dem Ergebnis, dass Beschäftigte mit besonderen Compliance-Anforderungen dafür ausreichend qualifiziert sein müssen, und bescheinigt eine erhebliche Zunahme an Schulungen in Compliance- und Regulierungs-Fragen. Auch diese Entwicklung bestätigen aktuelle Erhebungsdaten aus dem privaten Bankgewerbe: Beschäftigte mit erhöhtem Compliance-Aufwand nehmen überdurchschnittlich oft an Weiterbildungsmaßnahmen teil (vgl. Pressegrafiken zum Download).

An der Studie beteiligt waren auf Arbeitgeberseite neben dem BCESA die europäischen Spitzenverbände der Sparkassen und der Genossenschaftsbanken – European Savings Banks Group (ESBG) und European Association of Co-Operative Banks (EACB) – sowie auf Arbeitnehmerseite die internationale Gewerkschaft UNI Europa Finance.

Hinweis: Ausführliche Ergebnisse der Studie (u.a. den vollständigen Abschlussbericht) finden Sie auf der Website der Europäischen Bankenvereinigung EBF hier.

Weiterführende Informationen zu den Auswirkungen von Regulierung auf die Arbeitsbedingungen im privaten Bankgewerbe finden Sie in den beigefügten Pressegrafiken.

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