Europäische Sozialpartner des Bankgewerbes verabschieden gemeinsame Erklärung zur Digitalisierung

Brüssel/Berlin
5.12.2018
  • Grundlagenerklärung zu neuen digitalen Arbeitsformen
  • Europäische Sozialpartner erkennen Potenzial der Digitalisierung zur Verbesserung der Beschäftigungsbedingungen an
  • Fortsetzung des Dialogs zu neuen Arbeitsprozessen

Die europäischen Sozialpartner des Bankgewerbes haben Ende November eine gemeinsame Erklärung verabschiedet, in der sie einen chancenorientierten, positiven und pragmatischen Umgang mit der Digitalisierung befürworten. Die Erklärung betont das Potenzial digitaler Systeme, die administrative Arbeitsbelastung der Beschäftigten zu reduzieren, sie bei ihrer Arbeit zu unterstützen und dadurch intensivere Kundenberatung zu ermöglichen. Zugleich hebt die Erklärung hervor, dass die neuen Formen der Arbeit auch freiberufliche Tätigkeiten umfassen können, die das traditionelle Verständnis von Beschäftigung, Arbeitszeit und Arbeitsort verändern und dabei auch spezifische Gesundheits- und Arbeitssicherheitsfragen berühren können.

Die Erklärung wird auf Arbeitgeberseite getragen vom Banking Committee for European Social Affairs (BCESA), das unter dem Dach der Europäischen Bankenvereinigung EBF die Interessen des privaten Bankgewerbes vertritt, sowie den europäischen Spitzenverbänden der Sparkassen und der Genossenschaftsbanken, der European Savings Banks Group (ESBG) und der European Association of Co-Operative Banks (EACB). Für die Arbeitnehmerseite war die internationale Gewerkschaft UNI an den Gesprächen beteiligt. Der AGV Banken, seit 2013 im Vorsitz des BCESA, hat die Arbeiten an der gemeinsamen Erklärung intensiv begleitet.

„Die gemeinsame Erklärung unterstreicht, dass die Sozialpartner des Bankgewerbes die Chancen der Digitalisierung in den Mittelpunkt stellen und gemeinsam einen pragmatischen Rahmen schaffen, in dem Arbeit 4.0 für alle Beteiligten Vorteile bringt“, sagt Dr. Jens Thau, Geschäftsführer im AGV Banken und BCESA-Chairman. Die langjährigen Vorarbeiten hätten sich gelohnt und böten eine verlässliche Orientierung für Arbeitgeber und Beschäftigte auch auf nationaler Ebene.

Die wichtigsten Punkte der gemeinsamen Erklärung im Überblick:

  • Digitalisierung ist Zukunftssicherung: Die Erklärung erkennt ausdrücklich an, dass die Banken ihre Wettbewerbsfähigkeit weiter steigern müssen, indem sie die Arbeitsproduktivität mithilfe von Informations- und Kommunikationstechnologien erhöhen. Dies ist notwendig, um die Rentabilität von Unternehmen zu steigern, Arbeitsplätze zu schaffen und zu erhalten und die Mitarbeiterzufriedenheit im Bankensektor zu verbessern.
  • Positive Effekte für alle Beteiligten: Die Digitaltechnologie verbessert nicht nur die Qualität der Dienstleistungen für die Kunden, sondern auch die Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben für die Beschäftigten durch Möglichkeiten einer flexibleren Gestaltung von Arbeitszeit und -ort. Digitalisierung soll einen Mehrwert für alle Beteiligten schaffen: für die Gesellschaft und Verbraucher, für den Bankensektor, für Aktionäre und für die Beschäftigten.
  • Kompetenzentwicklung der Beschäftigten ist entscheidend: Die Sozialpartner betonen, dass die Entwicklung von Fähigkeiten und methodischen Kenntnissen der Beschäftigten Voraussetzung für den Erfolg ist. Daher sollte der Einsatz spezifisch menschlicher Fähigkeiten verbessert werden und Beschäftigte sollten sich auf Arbeiten fokussieren, die Computer und Roboter so nicht erbringen können und die den Wert rein digitaler Dienste für die Kunden erhöhen. Dazu bedarf es sozialer Kompetenzen, Anpassungsfähigkeit und Agilität. Ebenso gefordert sind wirtschaftliches Denken, Digitalkompetenz, die Bereitschaft zu lebenslangem Lernen, Neugierde und Innovationsbereitschaft sowie ausgeprägte Kommunikations- und Medienkompetenzen.
  • Modernere Arbeitsformen umsetzen: Eine Herausforderung besteht nach Ansicht der Sozialpartner darin, Fachwissen stärker mit Kreativität, sozialer Interaktion und Flexibilität zu kombinieren. Die Sozialpartner befürworten den Ausbau neuer Arbeitsformen, einschließlich flexibler Arbeitszeiten und Telearbeit. Sie liegen im gemeinsamen Interesse von Arbeitgebern und Arbeitnehmern.
  • Datenschutz und Privatsphäre: Arbeitgeber sind dafür verantwortlich, geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um den Schutz der für gewerbliche Zwecke verwendeten und verarbeiteten Daten zu gewährleisten und angemessene Sicherheitsstandards für IT-Systeme (einschließlich Überwachungssysteme) zu schaffen, unter Wahrung der Privatsphäre der Mitarbeiter.
  • Sozialer Dialog: Die beteiligten Sozialpartner gestalten auf europäischer, nationaler und/oder betrieblicher Ebene die Rahmenbedingungen, um die Chancen der Digitalisierung zu nutzen, die Herausforde rungen zu bewältigen und den Transformationsprozess sozial  zu gestalten. Die Sozialpartner im Bankensektor entwickeln innovative Strategien und Partnerschaften, um einen für alle Beteiligten fairen Übergang in eine Zukunft mit gut gestalteter digitaler Arbeit zu fördern. Mindestens ein Mal jährlich werden sich die europäischen Sozialpartner in einem Monitoring-Komitee über neue Entwicklungen im Zuge der fortschreitenden Digitalisierung austauschen.

Mit dem Einfluss moderner Technologien auf die Arbeit im Bankgewerbe hatten sich die europäischen Sozialpartner im Rahmen des sektoralen (branchenbezogenen) Dialogs bereits seit 1998 befasst, mündend in einer ersten Erklärung zur Beschäftigungsfähigkeit bei Einsatz neuester Informations- und Kommunikationstechnologie im Jahr 2002. Seither standen moderne Arbeitsformen immer wieder im Fokus, etwa im Dialog der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) zur Telearbeit im Herbst 2016 und zuletzt bei der Gemeinsamen Erklärung der Europäischen Sozialpartner zur Telearbeit im November 2017.

Die Erklärung dient als Grundlage für weitere Gespräche der europäischen Banken-Sozialpartner zu einzelnen neuen digitalisierungsgetriebenen Arbeitsprozessen im Bankgewerbe, sobald diese greifbare Formen annehmen.

Hinweis an die Redaktionen: Die gemeinsame Erklärung (deutsch und englisch) und ein Foto von der Unterzeichnung stehen Ihnen unter www.agvbanken.de als Download zur Verfügung.

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